Schwester Margareta Sterzinger

Ich bin im Jahr 1936 geboren. Aufgewachsen bin ich in Nassereith im Tirol auf einem Bauernhof zusammen mit noch sechs Geschwistern. Nach der Volksschule kam ich nach Feldkirch in die Hauptschule im Institut St. Josef. Meine Tante war dort als Klosterfrau tätig und in Nassereith gab es weit und breit keine Hauptschule. Nach dem Besuch des Instituts war ich wieder zu Hause in Nassereith als Kinderkartenhelferin, weil ich noch zu jung für die Ausbildung war. In diesem Kindergarten war eine geistliche Schwester und ich als Helferin und wir hatten 100 Kinder zu betreuen, was heute sicher nicht mehr vorstellbar wäre. Eine schwere Zeit waren auch die Kriegsjahre. Wir müssten im elterlichen Betrieb sehr viel mithelfen. Immer wieder gab es Bombenalarme. Mein Vater war Bürgermeister von Nassereith und war bis auf den Pfarrer der einzige Mann in Nassereith, da alle anderen Männer in den Krieg einrücken mussten. Gegen Ende des Krieges hätte auch mein Vater einrücken müssen, jedoch fuhr das Fahrzeug, dass ihn abholen sollte, auf eine Mine und alle Insassen wurden getötet. Es war eine harte Zeit für uns Kinder und für mich besonders, da ich wieder von zu Hause weg musste.

 

Jugendzeit
Schon damals machte ich einmal in der Woche einen sogenannten "Wüstentag". An diesem Tag übernahm immer die geistliche Schwester meine Arbeit im Kindergarten und zu Hause meldete ich mich vom Mittagessen ab. Ich stieg dann in einen Bus, fuhr ein Stück und lief dann den ganzen Nachmittag und fuhr am Abend wieder nach Hause. Ich spürte schon damals, dass ich an einem Tag in der Woche etwas Abstand benötigte von den Kindern, um zu mir selbst zu finden. Gemeinsam mit anderen Jugendlichen haben wir immer viel unternommen. Mein Vater schickte mich immer wieder mit meinen beiden älteren Schwestern zu verschiedenen Veranstaltungen. Um 23:00 Uhr musste ich jedoch immer nach Hause, da ab dieser Zeit Jugendverbot war. Das war jedoch kein Problem, denn ich hatte immer genug Begleiter, die mich in der Nacht nach Hause brachten. Zu der Zeit hatte ich dann auch einen Freund aus Vorarlberg, der Verwandte im Tirol hatte. Zusammen haben wir viele Ausflüge mit dem Rad gemacht. Wir planten schon für unsere Zukunft. Es kam jedoch anders. Eines Tages teilte er mir mit, dass er Pfarrer werden will und auch ich hatte mich mit meinen 19 Jahren schon fast entschieden, eines Tages in ein Kloster zu gehen. So trennten wir uns und er ging wieder zurück nach Vorarlberg. Doch noch viele Jahre schrieben wir uns.

Meine Berufung
Ich wollte zu dieser Zeit zu den "Klarissen" nach Brixen gehen. Als ich mich vorstellte, teilte man mir mit, dass ich zu jung wäre und ich die Unterschrift von meinen Eltern benötige, um hinter "Gitter" zu gehen. Die Klarissen waren ein geschlossener Orden und jeglicher Kontakt zur Außenwelt untersagt. Volljährigkeit war damals erst mit 21 Jahren gegeben. Daraufhin ging ich zu Bischof Wechner, der damals Exerzitien für Jugendliche in Innsbruck gab. Ich erzählte ihm von meinem Wunsch und er riet mir, vorläufig zu den Kreuzschwestern zu gehen und vorher mit den Klarissen abzuklären, welche Ausbildungen gewünscht waren. Das war nicht ganz einfach, denn bei den Kreuzschwestern in Hall waren 60 Anwärterinnen. Damals kannte ich die Kreuzschwestern bereits aus meiner Zeit im Institut St. Josef. Auf meine Frage bezüglich Ausbildungen wurde mir geraten, eine Krankenschwester-Ausbildung zu absolvieren. Gegen Ende der Ausbildung steckte ich mich mit einer Krankheit an und der Arzt riet mir die Ausbildung zu beenden. Da es mir jedoch bei den Kreuzschwestern gut gefiel, gab man mir die Chance, eine Ausbildung als "Sozialpädagogin" zu machen. Diese Chance nutzte ich und wurde in zwei Jahren in der Schweiz ausgebildet. Somit war ich dann "diplomierte Sozialpädagogin". Diese Ausbildung war mir sehr nützlich, doch es zog mich doch zu den Klarissen nach Brixen, aber meine Eltern waren nicht einverstanden und wollten mich nicht in einem geschlossenen Orden sehen. So blieb ich acht Jahre bei den Kreuzschwestern, bis ich alt genug war, um bei den Klarissen eintreten zu können.

Eintritt ins geschlossene Kloster
Ich verabschiedete mich von zu Hause. Meine Brüder verstanden mich nicht und sagten: "Einerseits freut dich der Umgang mit den Kindern und du bist sehr freiheitsliebend. Alles das hast du in einem geschlossenen Orden nicht mehr und du nimmst dir deine eigene Freiheit! Das ist uns unverständlich!" Mir war klar, dass in einem geschlossenen Orden mein Kontakt zur Außenwelt abbrechen würde. Auch der Kontakt bei Besuchen war nur über ein vergittertes Fenster möglich. Persönliche Kontakte oder Berührungen waren komplett untersagt. Auch bei Todesfällen war ein Verlassen des Klosters nicht gestattet. Mir selbst fiel dies nicht so auf, weil ich es ja wollte. Wir waren 43 Schwestern im Kloster und ich war davon die Jüngste. Einige waren schon 70 - 80 Jahre alt. Alle 3-4 Jahre bekamen wir wieder jüngere Schwestern dazu. Damals war mir meine Krankenschwester-Ausbildung sehr hilfreich. Zusätzlich war ich die einzige Schwester, die mit der Schreibmaschine umgehen konnte. So kam ich ziemlich schnell in den Bürodienst und konnte so mein Tätigkeitsfeld erweitern. Eine meiner Aufgaben war auch die Begleitung der Äbtissin. Es ging nicht lange und ich wurde mit 38 Jahren Äbtissin des Klosters Brixen. Es war mir immer sehr peinlich, wenn die älteren Schwester mich mit "Frau Mutter" anreden mussten. Ich konnte dies schon nicht mehr hören. Das Kloster Brixen war das älteste Kloster und datiert ins 12. Jahrhundert. Wir hatten auch eine riesige Bibliothek im Kloster zu verwalten, die gerne von Wissenschaftlern in Anspruch genommen wurde. Da jedoch niemand in das Kloster hineindurfte, durften diese nur mit Bewilligung des Bischofs die Bibliothek aufsuchen und einige Bücher gegen einen Eid der Retournierung ausleihen. Insgesamt war ich 20 Jahre im Kloster Brixen und konnte einiges bewirken. Viele Renovierungen waren notwendig, die so nach und nach durchgeführt werden konnten. Es war eine schöne Zeit, in der ich sehr schöpferisch und kreativ tätig sein konnte.

Veränderung und neue Wege
Ich wurde in dieser Zeit immer von Bischof Wechner begleitet. Er informierte mich von den Ergebnissen des Konzils, wenn er von Rom zurückkam. Beim Konzil wurde auch immer wieder gefordert, dass auch kontemplative Orden neue Wege suchen sollen. Er bestärkte mich immer wieder, alte Wege zu verlassen und das Wagnis neuer Wege einzugehen. Dies war ihm sehr wichtig. Daraufhin beschloss ich mein Amt niederzulegen und ein Jahr lang zu den Klarissen nach Taisten im Pustertal zu gehen. Dieses Kloster wurde jedoch geschlossen, weil kein Nachwuchs mehr in Sicht war.

Das war für mich der Punkt, nach Vorarlberg zu gehen und einen Ort für unseren Orden "Schwestern der Heiligen Klara" zu finden. Diesen Ort fand ich dann im Kloster Gauenstein bei Schruns mit Bewilligung des Bischofs. Von den Kapuzinern wurde uns das Sommerhaus zur Verfügung gestellt und ich zog mit zwei Mitschwestern unter ärmlichsten Verhältnissen, ohne Geld, in Gauenstein ein. Wir waren nicht lange zu dritt, da kurz darauf zwei jüngere Schwestern ebenfalls bei uns einzogen. Es war eine harte aber schöne Zeit. Die Zimmer konnten in der Anfangsphase nicht geheizt werden und im Winter war es bitter kalt. In den Zimmern mussten wir teilweise zu Dritt schlafen, da die Räumlichkeiten sehr beengt waren. In der Not rief ich meinen Bruder an, der sich mit Kaminen etc. auskannte. Er kontrollierte alles und wir hatten dann die Möglichkeit, mit kleinen Zimmeröfen wenigstens etwas zu heizen. Es war trotzdem ein Erlebnis, mit dieser franziskanischen Lebensweise die Armut am eigenen Körper zu erleben. Ein Architekt aus der Schweiz half uns umsonst, Teile des Klosters zu renovieren. Auch viele Menschen aus der Bevölkerung und Firmen standen uns mit Spenden zur Seite. Nachdem aber unser Orden immer größer wurde, beschlossen wir nach ca. 16 Jahren in Gauenstein eine neue Unterkunft zu suchen.

Die Gemeinschaft wächst
Im Laufe der Zeit kamen dann Isny im Allgäu, Heiligkreuztal, Frastanz, Saarbrücken und unser Hauptsitz im Kloster Bregenz dazu. In Frastanz wurden wir von Pfarrer Dr. Dr. Herbert Spieler eingeladen, eine Niederlassung zu gründen. Der ehemalige Pfarrstadel wurde nach Beschluss des Pfarrers und Pfarrgemeinderates zu einem "Geistlichen Zentrum" umgebaut und am 20. April 1991 nahm Altbischof Bruno Wechner die Einweihung von Kapelle und Haus vor und wir konnten in unser kleines Kloster in Frastanz einziehen. In Bregenz leben in der Zwischenzeit 11 Mitschwestern und 2-3 mitlebende Frauen. Im Winter betreiben wir in Bregenz auch noch die Franziskusstube, um Bedürftigen einen warmen Raum und eine warme Mahlzeit geben zu können. Insgesamt sind wir nun in unsere Orden 17 Mitschwestern.

Ruhestand oder „Unruhestand“
Nach 13 Jahren als Äbtissin im Kloster Bregenz und ca. 26 Jahre in Vorarlberg habe ich mich dann etwas zurückgezogen und die Geschicke einer Mitschwester übergeben. Seit einigen Jahren bin ich nun mit zwei Mitschwestern in Frastanz und lebe in unserem kleinen Kloster. Unsere Aufgaben sind Lektorendienste, Eucharistiehelferin, seelsorgerische Begleitungen, Krankenbesuche, Hinführen zum persönlichen Beten und Meditieren und einfach Kontakte und Begegnungen mit den Menschen in Frastanz, die mir sehr ans Herz gewachsen sind.

 

Redaktion in Frastanz
Reinhard Decker